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DRACHENKAMPF

Szenenbild, Fritz Lang Film "Die Nibelungen", 1924 ..

Übersetzt man die Symbolik des Drachenkampfes in der Nibelungensage erkennt man sehr schnell, dass es sich hierbei immer um einen Kampf zweier Männer handelt, von denen einer Drachengestalt angenommen hat.
Dies gilt natürlich nicht unbedingt für alle Drachenkämpfe der Weltgeschichte, wohl aber zwingend für den Bereich der Nibelungenmythologie.

In den deutschen Ausformungen der Nibelungensage finden wir den Drachenkampf sehr häufig durch den Zwölfkampf ersetzt. Um dem Ursprung der eigentlichen Geschichte, d.h. der Geschichte des Drachentöters, näher zu kommen wenden wir uns dem nordeuropäischen Sagenkreis zu. Hiermit sind in erster Linie die Edda und die, der Edda sehr verwandte, Völsungensaga gemeint; aber auch die Geschichte um Dietrich von Bern (die Thidreksaga) kommt hier in Betracht.

Beginnen möchte ich mit einem der ältesten Fragmente, nämlich dem Drachenhortlied der isländischen Edda (um 1000 gedichtet). Der Drache heißt in diesem Epos Fafnir und ist streng genommen kein eigentlicher Drache mit Flügeln, sondern, wie auch im Nibelungenlied ein auf der Erde kriechender Lindwurm. Ursprünglich aber war Fafnir ein Mensch und erst, nachdem er seinen Vater aus Goldgier erschlagen hatte verwandelte er sich (Edda, 38.12: "Fafnir ... verwandelte sich in einen Lindwurm").
Zu einem Lindwurm geworden behütete er das gestohlene Gold, das sich später Sigurd (der Siegfried der nordischen Sage) zu eigen machen sollte.
Diese Passage wird von der Völsungensaga (13. Jh.) ganz ähnlich beschrieben (13.te Aventüre: "Er (Fafnir) ward dann zu einem ... Wurme").
Auch in der norwegischen Thidreksaga wird, ohne auf die näheren Umstände einzugehen, der Drache als ein verwandelter Mann dargestellt: "Der war stark, aber bösartig ... dass er (in diesem Falle heißt er Regin) ein Drache wurde".

Es gibt auch eine - allerdings erst im Spätmittelalter verschriftlichte deutsche Sagenversion des Drachenkampfes. Es ist das "Lied des hürnen Seyfrid" oder auch "Seyfridslied" genannt. In seinen Grundzügen besitzt diese Geschichte die gleiche Erzählstruktur, wie das eddische Lied vom Drachenhort; dennoch trennen sie gut 500 Jahre und etwa 3.000 km. Der Drache dieser Sagaversion hat das Fliegen schon erlernt, es ist nicht mehr der Lindwurm der nordischen Überlieferung, aber dennoch handelt es sich auch hier um einen verwandelten Mann, der sich sogar zu bestimmter Zeit wieder zurück verwandeln kann; Seyfridslied, 22. Aventüre: "an eynem ostertage ward der trach zu eynem man"


DER MYTHOS DRACHENKAMPF

Ein Mythos ist eine Geschichte, in der Götter oder zumindest gottähnliche Wesen die Hauptrolle spielen, und es handelt sich erst dann um einen echten Mythos, wenn diese Geschichte auch von den Menschen geglaubt und als wahr anerkannt wird.

Nun hat jeder Mythos ein zentrales Element, welches die Menschen, die daran glauben periodisch wiederholen, um sich das Göttliche zu vergegenwärtigen. Durch die rituelle Nachahmung des ursprünglichen Mythos identifiziert sich der Mensch mit dem Göttlichen und wird so zum Heros, d.h. zum "Gott einer jüngeren Generation" (M. Eliade) Hierbei handelt es sich im eigentlichen Sinne des Wortes um einen Kult bzw. um ein kultisches Spiel.
Im christlichen Mythos finden wir diesen Kult beim letzten Abendmahl, der heiligen Eucharistie, wie sie noch heute sonntäglich in den Kirchen gefeiert wird.

Bei St. Martin erkennen wir das zentrale Motiv bei dem Teilen des Mantels und bei dem heiligen Georg, um in die Nähe unseres Themas zu kommen, beim Töten des Drachens.
Es wurde schon sehr viel über den Mythos des Drachenkampfes geschrieben. Der Drache ist bereits in den ältesten Schriften der Menschheit elementarer Bestandteil von Schöpfungsgeschichten (z.B. der biblische Leviathan, oder die babylonische Tiamat, von den östlichen Kulturen ganz zu schweigen). Das Motiv beflügelt unsere Phantasie seit Anbeginn der Zeit. Von daher ist eine allgemeingültige Interpretation dieses Phänomens nicht möglich, zumal es sich kaum auf eine gemeinsame Ursache reduzieren lässt.

Sigurd-Darstellung, Stabkirche von Hylestad, Norwegen, 12. Jh.

Bei unserer Betrachtung sind wir deshalb quasi gezwungen, uns auf den von uns untersuchten Bereich zu beschränken, ohne zwangsläufig benachbarte Kulturkreise - insbesondere die indoeuropäische Gruppe - auszuschließen.

Der Drachenkampf wurde schon oft als Initiationsritus interpretiert, d.h. als ein Ritual, welches "Knaben" absolvieren, um in die Gemeinschaft der "Männer" eines Stammes aufgenommen zu werden.
Eine andere These versteht den Drachen
als Metapher für einen mythischen König (der sich in einen Drachen verwandelnden Mann, evtl. durch Maskierung). In diesem Fall wäre der Drachentöter Nachfolger des Sakralkönigs und der Drachenkampf möglicherweise ein rituelles Tötungsspiel im Dienste eines Fruchtbarkeitskultes. Die erste Aufgabe des Siegers wäre demnach auch die Erlösung bzw. Erweckung einer zauberhaft schönen Jungfrau.

Spätestens mit dem 10. Jh. entstehen im nordischen Raum und auch auf den britischen Inseln vermehrt Ritzungen auf Grabstelen, welche von der Nibelungensage sowie deren Vorgeschichte erzählen.
Im 12. und 13. Jhd. wurden auch Kirchenportale mit jenen Motiven geschmückt (s. Bild oben, Sigurd tötet Fafnir, Ausschnitt, Portal der Stabkirche von Hylestad).

Diese sakrale Verwendung lässt unschwer erkennen, dass es sich gerade hier nicht einfach nur um Darstellungen der Heldensage, sondern in erster Linie um mythisch-religiöse Motive handelt.

So stellt sich die Frage: Was ist an einem Drachenkampf mit anschließendem Verspeisen des Drachenherzens eigentlich religiös?