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Sigurd-Darstellung, Stabkirche von Hylestad, 12. Jh. ..
Bevor ich auf eventuell vorhandene mythische Hintergründe eingehe, möchte ich einen unbekannten Dichter zu Wort kommen lassen, der vor etwa 1000 Jahren das Drachenhortlied verfasst hat. Es ist uns in der isländischen Edda überliefert und gilt als die ursprünglichste Beschreibung von Sigurds (Siegfrieds) Drachenkampf:
"Sigurd kam als Kind zu Regin (dem Schmied) und wuchs bei ihm (am Rhein!) auf. Als er herangewachsen war, erzählte ihm Regin, dass Fafnir (der Bruder Regins) in Wurmgestalt einen Hort behütet. Er schmiedete ein Schwert und reizte Sigurd, Fafnir (den Lindwurm) zu erschlagen. Nachdem Sigurd die Tat vollbracht hatte, ging Regin zu seinem wurmgestaltigen Bruder, schnitt ihm das Herz aus und trank das Blut aus der Wunde. Dann sprach er:
"Sitz nun, Sigurd - Ich such mir ein Lager -,
Halt ans Feuer das Fafnirherz!
Munden mag ich mir den Muskel lassen,
Nach dem Trunk vom Totenblut."
Sigurd nahm Fafnirs Herz und briet es an einem Zweig. Als er glaubte, dass es gar sei, und der Saft aus dem Herzen schäumte, da fasste er es mit einem Finger an, um zu versuchen, ob es fertig sei. Er verbrannte sich und fuhr mit seinem Finger in den Mund. Als Fafnirs Herzblut ihm auf die Zunge kam, da verstand er die Sprache der Vögel, die ihn vor Regin warnten. Sigurd schlug Regin daraufhin den Kopf ab und nahm den Hort an sich.

Felsritzung auf dem Ramsundberg, Südschweden, frühes 11..Jh.
Aus dem nordischen Raum kennen wir unzählige Darstellungen dieser Sagaversion auf Kirchenportalen, Grabstelen und Felsritzungen. Die sakrale Verwendung lässt uns unschwer erkennen, dass es sich hier nicht um Darstellungen der Heldensage, sondern in erster Linie um religiöse Motive handelt (s. Drachenkampf).
Das hohe Alter dieser Sage beweist nicht zuletzt eine Felsritzung auf dem Ramsundberg in Südschweden aus dem Jahr 1020. Es ist das älteste Zeugnis der Siegfriedsage. Die Abbildungen zeigen Sigurds Drachenkampf, das Braten des Herzens am Feuer, bis hin zu dem Detail, wo sich Sigurd den Finger verbrennt und in den Mund steckt, auch die Enthauptung des Schmiedes, das mit dem Schatz beladene Pferd und der Baum mit den Vögeln sind deutlich zu erkennen, nur ein dargestellter Hund findet keine Entsprechung in dem Lied (diesen Hund kennen wir dafür aus dem knapp 500 Jahre jüngeren deutschen Seyfridlied).
DRACHENHERZ
"Dies ist mein Leib, nehmet und esset alle davon."
Der religiöse Charakter des Drachenkampfes.
Das zentrale und sich immer wiederholende Motiv der ursprünglichen Sage ist der Kontakt des siegreichen Helden mit dem Blut des Drachens, bzw. das anschließende Verspeisen des Drachenherzens sowie das Verstehen der Vogelsprache.
Das in der Edda beschriebene Drachenblut hat nicht, wie etwa im deutschen Sagenkreis, die Eigenschaft bei äußerlicher Anwendung unverwundbar zu machen (Die Unverwundbarkeit ist wohl spätere Zutat).
Das Verstehen der Vogelsprache ist in diesem Zusammenhang aber ein immer wiederkehrendes, ja sogar indoeuropäisches Motiv und darf als primär bezeichnet werden. Vermutlich handelt es sich dabei um Erkenntnisse aus dem Jenseits, denn die Seelen Verstorbener dachte man sich in frühen Kulturstufen vielfach vogelgestaltig.
Es wurde bereits gezeigt, dass es sich bei dem Drachen der Nibelungensage stets um einen Mann handelt, der sich zumeist aufgrund seiner "bösen Taten" in ein solches Ungetüm verwandelt hat.
Wenn wir uns diese Geschichte näher betrachten, könnten wir also zu dem Schluss kommen, dass es sich hierbei um einen kannibalischen Akt handelt. Ein Mann tötet einen anderen und verspeist dessen Herz, nachdem er es über dem Feuer gebraten hat. Es gibt keine schlüssige Erklärung für dieses Motiv, es kann nur festgestellt werden, dass es sehr ernst genommen wurde und eine nicht zu unterschätzende sakrale Bedeutung hatte.
Am deutlichsten lässt sich dies mit der christlichen Symbolik der Eucharistie vergleichen, ohne dass wir hier zu dem Schluss kommen müssen, das Jesus von seinen Jüngern aufgegessen wurde, nur weil er Ihnen von seinem Blut und Fleisch gegeben hat. Er hat lediglich - und das ist bei der von uns untersuchten Sage ganz ähnlich - wesentliche Elemente seiner selbst, natürlich symbolisch in Form von Brot und Wein, an die, die ihm nachfolgen weitergegeben.
Die Abbildung rechts zeigt das "Bain mystique" (mystisches Bad).
Das Baden im Blut Jesu soll der Reinigung und Bereicherung dienen.
Mittelteil des Triptychons von Jean Bellegambe (etwa 1470- 1534)
Bei der germanischen Ausgestaltung der Sage bzw. der originären keltischen Gralsmythologie im Allgemeinen ist dies weitaus rudimentärer gedacht.
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Aus diesen Bereichen kennen wir in der Tat Berichte über das kultische Verspeisen von Teilen des Körpers z.B. eines erschlagenen Feindes oder Führers, um dessen Kraft und m.E. sine Wesenheiten sich sprichwörtlich einzuverleiben. Die uns überlieferte Geschichte des Drachenkampfes könnte zumindest eine entfernte Erinnerung an diese Art des kultischen Kannibalismus zu sein, für dessen Ursprung wir gezwungen sind, ein sehr hohes Alter anzunehmen.
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Noch heute sind diverse Drachenkampfspiele bekannt, in denen das Drachenblut eine zentrale Rolle spielt, z.B. der Drachenstich aus Furth (Oberpfalz), das Draaksteken aus Beesel in den Niederlanden oder die Fête du Dragon aus Mons in Belgien. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um authentische Quellen angemessenen Alters, die als Beweise für ein echtes Kultspiel dienen könnten.
"St. Georgs Kirchweih", Kupferstich von 1566
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