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DIE ERWECKUNG
DER WALKÜRE

Die Waberlohe, Henri Fantin-Latour (1836-1904)

Nachdem Sigurd den Drachen getötet und dessen Herz verspeist hat, versteht er die Sprache der Vögel, diese führen den siegreichen Helden zu der schlafenden Sigdrifa (Brynhild), soweit berichtet uns die Edda eindeutig.
Der weitere Verlauf der Geschichte ist fragmentarisch, insbesondere bedingt durch Fehlseiten in der einzigen uns überlieferten Edda-Handschrift.
Den bruchstückhaften Inhalt des alten Sigurdliedes sowie der "Erweckung der Walküre" können wir annähernd mit Hilfe der Völsungensaga und des Skirnirliedes erschließen.

Der Göttervater Odin hatte die zauberhaft schöne Walküre mit dem Schlafdorn gestochen und zu ihrem Schutz einen magischen Flammenring um ihre Schlafstätte angelegt, die sog. Waberlohe. Als Sigurd herannaht legen sich die Flammen und er kann mühelos eintreten (für jeden anderen wäre dies ein tödliches Unterfangen, s.a. "Dornröschen"). Unser Held schneidet der schlafenden Schönen mit seinem Schwert den Brustpanzer auf (nach Saxo Gramaticus wird sie geküsst) und erweckt sie somit quasi zu neuem Leben.

Hinter diesem Motiv wurde schon sehr häufig eine so genannte "Heilige Hochzeit" (griech. Hierós Gámos) vermutet, die rituelle Hochzeit zwischen dem Himmelsgott und der Erdmutter (bzw. deren irdischen Vertretern).

Bei den Germanen ist die "Heilige Hochzeit" in den bronzezeitlichen Felszeichnungen bestens belegt, lässt sich aber auch in den uns erhaltenen Mythen wiederholt nachweisen.

Bronzezeitliche Darstellung der "Heiligen Hochzeit"
Felszeichnung von Aspeberget, Schweden

Die Brynhild im Sigurd-Mythos ist nicht nur eine Repräsentantin der altgermanischen Fruchtbarkeitsgöttin Freyja, sondern gehört als Walküre ("Lied der Sigrdrifa") auch zu ihrem unmittelbaren Gefolge.
Im Rahmen eines Wachstumkultes wird die Priesterin zur Personifikation sowohl der Göttin als auch des Landes. Bezeichnender Weise schläft Brynhild auf dem Hindins-Felsen (d.h. Hirschkuh-Felsen, zu den Hirschmotiven s. Kapitel "Heros Tod" und "Cernunnos").
Nach den Wintermonaten, in denen die Erde ruht, muss sie im Frühjahr von einem besonders dazu ausersehenen Heros rituell erweckt und neu befruchtet werden, um die Fruchtbarkeit des kommenden Jahres sicherzustellen.
Durch den Sieg über den Drachen, letztlich also durch eine rituelle Handlung, ist Sigurd für diese Aufgabe prädestiniert (Zumindest ist dies eine nahe liegende Interpretation).

In den archaisch anmutenden Fragmenten der Nibelungensage lässt sich der Vollzug dieses sakralen Beischlafs nur noch symbolkundlich erschließen. Brynhild übergibt Sigurd den mit Zauberrunen und Met gefüllten Kelch, im Gegenzug bekommt sie den Ring Andvaranaut, den Sigurd durch den Drachenkampf erworben hat. Sie versprechen sich einander. Nach der Völsungensaga zeugen Sigurd und Brynhild sogar eine Tochter namens Aslaug, dieser Zug ist aber vermutlich nicht sagenecht.

ÜBRIGENS:
Aus der griechischen Mythologie kennen wir die Geschichte von Hera, der Mutter / Frau des Zeus, die mit der Milch aus ihren Brüsten die Sterne am Himmel und so die Milchstraße erschuf. Ihr nordisches Äquivalent könnte (neben Freyja) auch Brunhild sein, denn in Teilen Nordfrankreichs und Belgiens nennt man die Milchstraße noch heute "Chaussee de Brunehaut", in den Niederlanden "Ver Broeneldenstrait".