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ANTON PRAETORIUS

Kämpfer gegen Hexenprozesse und Folter
ein Gastbeitrag von Hartmut Hegeler

Hexenverbrennung, kolorierter Holzschnitt, 16. Jh.

400 Jahre ist es her, dass ein Pfarrer den Mut fand, öffentlich Folter und Hexenprozesse anzuprangern in einer Zeit, in der die Hexenverfolgung ihren grausamen Höhepunkt erreichte. Die Rede ist von Anton Praetorius. Zum 400-jährigen Gedenken wird hier das bewegende Leben dieses außergewöhnlichen Kämpfers gegen den Hexenwahn gewürdigt.

Anton Praetorius wird 1560 in Lippstadt / Westfalen geboren. Nach einer kurzen Zeit als Rektor der Lateinschule im westfälischen Kamen zieht er 1587 in die Stadt Worms. Hier ist Praetorius als lutherischer Diakon für die Verwaltung des Kirchenkastens und für soziale Belange zuständig.

Gehört er zuvor der lutherischen Konfession an, tritt er um das Jahr 1592 zum reformierten Bekenntnis (nach Calvin) über, als er Pfarrer in Dittelsheim wird.

DER DALBERGER HEXENPROZESS

1593 besucht Praetorius das nahe gelegene Herrnsheim (heute ein Stadtteil von Worms) mit dem großen Schloss der Dalberger. Praetorius wird Zeuge eines Rechtstags mit der Verlesung der Urgichten (Bekenntnis) in einem Hexenprozess.

Er schreibt darüber, dass "auch Männer und Weiber verbrannt worden. Für deren Endurteil wurden vom Rathaus aus einem Fenster solche schändliche, närrische und greiflich lügenhafte Dinge von teuflischer Gemeinschaft und Wettermachen öffentlich vorgelesen, dass mir das Zuhören wehe täte und ich mich für keuschen Ohren schämen müsste, dieselben zu erzählen."


Das Schloss zu Herrnsheim
Foto von: www.herrnsheim.de

Es ist vermutlich der Prozess gegen Hesslocher Frauen 1593, bzw. der Dalberger Hexenprozess. Hessloch ist das katholische Nachbardorf des reformierten Dittelsheim, nur 2 km entfernt.

Hierbei empört sich Anton Praetorius besonders über das ungerechte Verfahren der Obrigkeit. Er fällt ein vernichtendes Urteil über die Regierung und die Alzeyer Beamten, die "das aller reichest Weib zu Herrnsheim" auf das Bekenntnis der Verbrannten gefangennahm und lebenslänglich im Gefängnis festhielt. Praetorius ist empört über die offensichtliche Ungerechtigkeit: "Denn wäre das Weib schuldig, warum ward sie nicht auch verbrannt? War sie aber unschuldig, warum musste sie dann ihr Lebenlang im Gefängnis bleiben als eine Übeltäterin?"

Durch seine Schilderung wird zugleich deutlich, wie mit solchen Hinrichtungen die Prozesse ihre Wirkung auf das Umland ausüben.

VON ZAUBERY
UND
ZAUBERERN

Großes Aufsehen in Deutschland erregt das Buch "Gründlicher Bericht von Zauberey und Zauberern", welches der Laudenbacher Pfarrer Anton Praetorius 1613 in dritter Auflage veröffentlicht. Schonungslos attackiert der Verfasser die unmenschlichen Hexenprozesse. Als einer der ersten Christen stellt er sich gegen die Hexenverfolgung und fordert die Obrigkeit mit Argumenten aus der Bibel auf, die unchristliche Folter von Angeklagten zu beenden. Mit drastischen Worten kritisiert er Rechtsbrüche und Grausamkeit der Juristen: "O Ihr Richter, was macht Ihr doch? dass ihr schuldig seid an dem schrecklichen Tod Eurer Gefangenen? Ihr seid Totschläger! Gott schreibt es auf einen Denkzettel! Welche Richter zu der Ungerechtigkeit Lust haben und unschuldiges Blut vergießen, werden in Gottes Hand zur Rache verfallen und sich selbst in die unterste Hölle hinabstürzen!"

Deckblatt "Gründlicher Bericht von Zauberey und Zauberern"

Wer so gegen Hexenprozesse wettert, macht sich verdächtig, selbst ein Freund der Hexen zu sein, und läuft Gefahr, vor ein Hexengericht gestellt zu werden.
Gegen die Hexenverfolgung erhoben sich vereinzelte Stimmen von Christen, oft unter dem Risiko selbst verfolgt zu werden. Das Wissen über evangelische Gegner der Hexenverfolgung ist aber im Dunkel der Vergangenheit fast völlig untergegangen. Dieses Schicksal widerfuhr auch Anton Praetorius, der als erster protestantischer Pfarrer ein mutiges Buch gegen Hexenverfolgung unter seinem eigenen Namen veröffentlichte, nachdem es 1598 unter einem Pseudonym erschienen war. In Lehrbüchern der Kirchengeschichte wird Praetorius oft nicht erwähnt.

In seinem Kampf gegen Hexenprozesse und Folter erhielt Praetorius Unterstützung und Förderung von Gesinnungsgenossen in ganz Deutschland. Die lange Liste der Widmungen in seinem Buch von 1613 zeigt, dass es in der Kurpfalz und in ganz Deutschland unter Theologen und angesehenen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens etliche Kritiker der Hexenprozesse gab.

Auf der Widmungsseite seines Buches hob er 1613 die Unterstützung von führenden kirchlichen Mitarbeitern aus Rheinhessen (Kreuznach, Oppenheim, Nierstein, Wachenheim, Bensheim, Sprendlingen und Sieffersheim) und engagierten Personen aus Danzig, Unna und Kamen in Westfalen hervor.

An den Beginn seines Buches aber stellt Praetorius ein Empfehlungsgedicht des evangelischen Pfarrers aus Heppenheim, Johannes Adam. "Du lies ohne Sorge!" empfahl der Heppenheimer Pfarrer seiner Gemeinde das Buch von Praetorius aus dem Nachbarort Laudenbach gegen Hexenprozesse. Der Laudenbacher Pfarrer setzte sich 1602 als erster evangelischer Geistlicher kritisch mit Folter und Hexenverfolgung auseinander und geißelte sie aufs heftigste mit Argumenten aus der Heiligen Schrift.
Obwohl es gefährlich war, bekannte er sich auf der Titelseite seines Buches "Gründlicher Bericht von Zauberey und Zauberern" mit seinem vollen Namen als Autor. Sein Buch wurde ein Bestseller, erreichte in wenigen Jahren vier Auflagen und wurde in ganz Deutschland bekannt.

Titel- und Widmungsseite des Berichtes von 1613


Die Widmungen und das Gedicht des Heppenheimer Pfarrers vom 16. Februar 1613 zeigen, dass Praetorius viele Beziehungen in ganz Deutschland hatte, die ihm so wichtig waren, dass er sie in seiner Kampfschrift gegen Hexenprozesse und Folter an hervorgehobener Stelle ausdrücklich erwähnte. Es waren diese Menschen, von denen er sich unterstützt wusste und die ihm möglicherweise auch Geld für den Druck des Buches gegen Hexenprozesse und Folter gaben.

URSACHEN DER HEXENVERFOLGUNGEN

Historiker suchen heute noch nach Gründen, wie es zu den Hexenverfolgungen kommen konnte. Fest steht, dass im 16. und 17. Jahrhundert in Deutschland ein geistiges Klima herrschte, das die Verfolgungen begünstigte. Kriege, Krankheiten und Katastrophen erzeugten bei den Menschen Angst und Panik. Prediger beschworen Endzeitstimmung. Um 1590 wüteten spanische Truppen in Deutschland. Eine Pestepidemie raffte zum Teil die Hälfte der Bevölkerung hinweg. Überall in Mitteleuropa sanken die Temperaturen - die sogenannte kleine Eiszeit. Die Ernten verdarben, die Menschen litten Hunger, das Vieh starb. Krankheiten breiteten sich aus. Die Menschen fragten sich, wieso diese Katastrophen passierten und führten in ihrer abergläubischen Weise alles auf Schadenszauber zurück. Hexen wurden beschuldigt, den Menschen Schaden zuzufügen. Man suchte Sündenböcke - und man fand sie. Die Jagd auf das "Hexengeschmeiß" begann.

Anton Praetorius machte bereits als Jugendlicher Erfahrungen mit der Grausamkeit der Hexenprozesse, die ausnahmslos von weltlichen Gerichten durchgeführt wurden. 1596 wurde Praetorius Hofprediger des Grafen in Birstein (30 km nordöstlich von Frankfurt) und musste an einem Prozess gegen vier "Hexen" teilnehmen. Das Gericht ließ die Frauen foltern, um ein Geständnis zu erzwingen. Doch Praetorius machte nicht mit. Er war Christ, und sein Maßstab war die Bibel.

Der Pfarrer wetterte derart gegen die Folter, dass der Prozess beendet und die letzte noch lebende Gefangene freigelassen wurde. Dies ist der einzige überlieferte Fall, dass ein Geistlicher während eines Hexenprozesses die Beendigung der unmenschlichen Folter verlangte - und Erfolg hatte. Der Schreiber der gräflichen Kanzlei hielt diesen ungewöhnlichen Vorfall fest: "Weil der Pfarrer alhie heftig dawieder gewesen, als man die Weiber peinigte, also ist es diesmal deßhalben unterlassen worden."

Auszug aus dem Protokoll des Hexenprozesses gegen vier Rindenbügener Frauen 1597

Der Graf entließ seinen Hofprediger umgehend. Praetorius fand in Laudenbach/ Bergstrasse in der Nähe von Heidelberg eine neue Pfarrstelle. In Laudenbach gehörte Praetorius zur 2. Generation reformierter Pfarrer. Hier war 1575 das reformierte Bekenntnis eingeführt worden.

Anton Praetorius verrichtete als Gemeindepfarrer seinen Dienst in dem kleinen Ort Laudenbach. Es heißt von ihm, er "ist allezeit fröhlich im Herren dabei gewesen, freiwillig und reichlich den Armen gegeben, keinen ohne Almosen von sich gelassen und ihnen sein Brot also gebrochen." "Hat auch sonsten, welche seines Raths und Hilff begehret, treulich geholfen". Aber manchmal packte ihn der Zorn und übermannte ihn, besonders wenn seine Gemeindeglieder schlimmste Formen von Aberglauben zeigten und er erkennen musste, wie fest dieser Glaube verwurzelt war. Dabei scheute er wie in Birstein nicht öffentlichen Protest.

Praetorius beschrieb, wie etliche Pfarrer, die 12 Dörfer zu versorgen haben, sich von ihren Wiesen und Ackerbau ernähren müssen. "Da wird wenig studiert, übel gepredigt, langsam gehört, nichts gelernt. Andere werden aus Not gedrungen, der Haus- und Feldarbeit nachzugehen, damit sie und die Ihren Brot zu essen haben." Trotzdem fand Praetorius Zeit zur Auseinandersetzung mit den theologischen Hauptthemen seiner Zeit.
1602 veröffentlichte er ein weiteres Buch: "de sacrosanctis Jesu Christi sacramentis in genere et in specie tractatus." Diese Streitschrift gehört zu den insgesamt sieben Veröffentlichungen von Praetorius. Die Themenwahl dieses auf Latein geschriebenen Werkes ist nicht verwunderlich, war doch die Sakramentenlehre eine der größten Zankäpfel zwischen Reformierten und Lutheranern.

Neben seiner literarischen Arbeit hatte Praetorius "das almosen an diesem ort angefangen, daran gewesen, dass die kirche und der gottesacker ist gebauet worden". Anton Praetorius hatte also eine Armenkasse eingerichtet, was besonders hervorgehoben wurde. Am 6.12. 1613 verstarb Anton Praetorius im Alter von 53 Jahren in Laudenbach.

Praetorius kämpfte viele Jahre unter Einsatz seines Lebens gegen Folter und Hexenprozesse in einer Zeit, in der die Hexenverfolgung ihren grausamen Höhepunkt erreichte. So trug er 30 Jahre vor dem bekannten katholischen Jesuiten Friedrich Spee von Langenfeld seinen Anteil zur späteren Überwindung der Hexenverfolgung bei.
Wegen seines Engagements gegen Folter hat man ihn als Vorläufer von amnesty international bezeichnet. Dabei berief sich Praetorius immer wieder auf die Bibel und seinen christlichen Glauben. In seiner Zeit hat er sich vehement gegen eine Zeitströmung gewandt, die in ihrer Hysterie kaum zu überbieten war.
Dafür hat er es nicht leicht in seinem Leben gehabt, aber er hat das bewiesen, was wir heute immer wieder fordern sollten, Glaube und Zivilcourage.

Lebensstationen von Anton Praetorius



LEBENSDATEN VON ANTON PRAETORIUS
Praetorius (von lat. "Praetor" = Vorsteher, Oberrichter, Schulze).
Er setzt seinen Namen selber von "Schulze" ins lateinische "Praetorius".
1560 im westfälischen Lippstadt als Sohn von Matthes Schulze geboren, besucht die Lateinschule in Lippstadt und studiert Theologie. Er erwirbt sehr gute Bibelkenntnisse.
1573 erlebt er in Lippstadt einen Hexenprozess mit.
1581 Mit 21 Jahren wird Praetorius in den Schuldienst in Lippstadt berufen.
1585 im Frühjahr bringt seine Frau Maria in Kamen den Sohn Johannes zur Welt.
1586 Rektor der Lateinschule in Kamen.
1587 lutherischer Diakon in Worms, verantwortlich für Kirchkasten und soziale Belange
1589 als Diakon an der Katharinenkirche im kurpfälzischen Oppenheim. Hier scheint er eindeutig dem reformierten Bekenntnis anzugehören.
1592 wird er Pfarrer in der kurpfälzischen Gemeinde Dittelsheim.
1593 wird Praetorius in Worms Zeuge des Dalberger (Hesslocher) Hexenprozesses.
1595 verfasst er im Oktober auf Latein die älteste Nachricht vom großen Fass in Heidelberg.
1596 wechselt Praetorius nach Offenbach am Main in die Grafschaft Ysenburg-Büdingen.
Maria, die Frau von Praetorius, stirbt als er 36 Jahre alt ist. Er heiratet wieder, doch die zweite Frau verstirbt am 12.Tag nach dem Kirchgang an der Pest. Er verlobt sich ein drittes Mal, doch die dritte Frau stirbt drei Tage nach der Abkündigung der Hochzeit.
bis 1598 arbeitet er als fürstlicher Hofprediger in Isenburg-Birstein. Umbau der kleinen Kapelle in Birstein zu einer Kirche.
1597 Am 8.2. Heirat mit Sibylle, der Tochter des Pfarrers Pistorius aus Muschenheim/Lich.
Am 6. März Buchveröffentlichung "Haußgespräch: Christliebenden Eltern und Kindern zur Beförderung gottseliger Privatübung."
Im Mai veröffentlicht Praetorius einen Katechismus
Am 3.7. wird Praetorius Zeuge eines Prozesses gegen vier Frauen aus Rinderbügen. Mit wütendem Protest setzt er sich für diese Frauen ein. In den Akten heißt es:
,,weil der Pfarrer alhie hefftig dawieder gewesen, das man die Weiber peinigte, alß ist es dißmahl deßhalben underlaßen worden. Da er mit großem Gestüm und Unbescheidenheit vor der Tür angericht den Herrn D. angefürdert und heftig CONTRA TORTURAM geredet." Praetorius gelingt es, eine Frau aus der Folterkammer zu retten.
Entlassung als Hofprediger durch Graf Wolfgang Ernst.
1598 Pfarrer in Laudenbach in der Kurpfalz. Praetorius richtet eine Armenkasse ein und einen kirchlichen Friedhof.
Unter dem Pseudonym seines Sohnes Johannes Scultetus Camensis Westphalo (aus Kamen in Westfalen) veröffentlicht er das Buch: "Von Zauberey vnd Zauberern Gründlicher Bericht".
1602 fasst er in einer 2.Auflage des Buches den Mut, seinen eigenen Namen als Autor zu verwenden.
Im gleichen Jahr erscheint sein theologisches Hauptwerk "de sacrosanctis Jesu Christi sacramentis"
1604 Am 1. Mai schreibt sich sein Sohn Johannes an der Universität in Heidelberg ein.
1605 schließt Sohn Johannes das Studium der Philosophie und Theologie mit dem Baccalaureat ab.
1612 Umbau der Kirche in Laudenbach: "protestantische Tür"
1613 stirbt Sohn Johannes im Alter von 28 Jahren.
Am 15. Juni hält Praetorius eine letzte Trauung in Weinheim.
Die dritte Auflage seines Berichtes über Zauberey und Zauberer erscheint
Am 6.12. stirbt Praetorius im Alter von 53 Jahren in Laudenbach/Bergstrasse.
1629 erscheint die vierte Auflage seines Berichtes über Zauberey und Zauberer posthum.


Hartmut Hegeler aus Unna/ Westfalen stellt zum ersten Mal das Wirken von Pfarrer Anton Praetorius dar.

Näheres über die Publikation
"Anton Praetorius - Kämpfer gegen Hexenprozesse und Folter" findet sich im Internet: www.anton-praetorius.de.


Buchautor Hartmut Hegeler

Pfarrer Hartmut Hegeler
Sedanstr. 37 - 59427 Unna - Tel. 02303/53051 - Hartmut.Hegeler@gmx.de